Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag 11 – 17 Uhr
Programm
- Sa 14.06. um 15 – 22 Uhr Pro City Nacht der Kultur: Führung und Gespräch
- So 22.06. / So 06.07. / So 20.07. / So 03.08 jeweils um 15 Uhr Sonntagstour mit Joos Ziegler
- So 24.08. um 15 – 17 Uhr Finissage
Wie macht man Prozesse fassbar, die über den menschlichen Wahrnehmungshorizont hinaus gehen? Mit dieser Frage setzt sich die Ausstellung
TERRA DIASPORA – Aktives Terrain N°2 – "Collapse is not a Destination, it
is a process". Sie besteht aus Werken von 13 Künstlerinnen und Künstlern,
die sich in den Medien Skulptur, Fotografie und Installation mit dem Wahrnehmungsproblem des Klimawandels auseinandersetzen.
Der Mensch verändert seine Umwelt. Im Streben nach Wachstum verbraucht er die Ressourcen des Planeten und setzt Prozesse in Gang, die seinen evolutionär-bedingten Wahrnehmungshorizont überschreiten. Denn die Prozesse finden zu weit weg statt, sie finden im Verborgenen statt und sie finden stetig über einen zu langen Zeitraum statt, um Menschen zu direkten, effizienten Ge-genmaßnahmen zu animieren. Um diese Prozesse dennoch begreifbar zu machen, hat das kuratorische Duo Dr. Almut Hüfler und Stephan Klee die Gruppenausstellung Collapse is not a Destination konzipiert und 2024 im HAUNT gezeigt, einem Berliner Zentrum für Kunst und Ökologien. Für Göttingen wurde das Konzept jetzt maßgeblich für die Galerie im Alten Rathaus weiterentwickelt und vergrößert. Das Duo hat hierfür 13 installative Werke zusammengestellt, die mit realem Material aus weltweiten Produktionsprozessen und ihren Folgen operieren und dabei perzeptive Zugänge zu der realen Materie und zu den Zeitdimensionen der industriellen Vorgänge eröffnen. Gleich dem materiellen Verrinnen einer Sanduhr machen die Installationen ein Dilemma des kapitalistischen Wachstumsparadigmas nachvollziehbar: Dass langfristige Auswirkungen einer kurzfristig profitablen Produktion bereits stattfinden, aber nicht angemessen in Planen und Handeln der Wirtschaft einbezogen werden.
Die Folgen sind heute längst deutlich: In Sedimentschichten finden sich ‚technische Fossilien' wie Aluminium, Betonreste, Plastikteilchen, Kohlenstoffverbindungen aus der Verbrennung fossiler Energieträger, Fallout aus Atombombenversuchen u.s.w., Mikroplastik lässt sich in Körperflüssigkeiten nachweisen – und die menschengemachte Klimakatastrophe ist nicht mehr von der Hand zu weisen.
Dabei ist all das nun seit über 50 Jahren hinsichtlich bekannt. 1972 veröffentlichte der Club of Rome seinen ersten Bericht "Limits of Growth". Warum nur ist es uns als Kollektiv dennoch nicht möglich, gegenzusteuern und die in Modellen seit Langem vorausberechnete Zerstörung unserer Lebensgrundlagen aufzuhalten? Wie kommt es, dass wir die Wirklichkeit nicht „sehen", nicht (an) erkennen können?
Im Vergleich mit einem Menschenleben von ungefähr 75 Jahren sind die Entwicklungen des Klimawandels in der Tat langsam. Bereits der Bericht des Club of Rome wies darauf hin, dass die menschlich Perspektive zeitlich und räumlich begrenzt ist. Langfristige oder räumlich entfernt liegende Auswirkungen scheinen für die Entscheidungsfindung nicht relevant, da wir die Komplexität des Prozesses und seine Dynamiken im Alltag nicht erfassen können. Gleichzeitig ereignen sich dort für den gesamten Prozess aber entscheidende Veränderungen. Der Untertitel der Ausstellung zitiert Ugo Bardi, Mitglied des Club of Rome und Mitherausgeber von Limits and Beyond: 50 years on from The Limits to Growth, what did we learn and what's next? Von 2022: „Collapse is not a destination, it is a process".
Ein Prozess, den wir mit unserer gewohnten Denkweise offenbar kaum aufhalten können. „Die Krise besteht darin, dass der Mensch die Probleme, die er verursacht, nicht erkennt. Er kann etwas tun, das Ergebnis seiner Handlungen in einer universalen Realität jedoch nicht wahrnehmen." (Almut Linde: Radical Beauty, 2018).
Ziel der Ausstellung ist es diese komplexen Prozesse mit künstlerischen Strategien ins Bewusstsein der Betrachtenden zu rücken. In den drei Sektionen der Galerie im Alten Rathaus Göttingen wird sich zwei großen Themenbereichen gewidmet: "Erde – Abbau – Kontamination" in den vier linken Räumen, "Wald – Verbrauch – Aussterben" in den drei rechten Räumen. Im zentralen Foyer auf 120 qm werden Verbindungslinien und das Ineinandergreifen beider territorialer Komplexe aufgezeigt. Im Kern zeigt TERRA DIASPORA – Aktive Terrains über reales Material die externen, real stattfindenden Prozesse auf dem Globus oft direkt auf, anstatt diese zu „verfremden", zu abstrahieren oder subjektiv umzugestalten. Durch diese Gegenwart des ursprünglichen Materials wird für den Moment des Betrachtens die räumliche und zeitliche Distanz überwunden, die Implikationen unseres kapitalistischen Lebensstils werden sinnlich und direkt erfahrbar. Die gezeigten Arbeiten sind künstlerische Verkörperungen des Verbrauchs mit realem Kern und die Ausstellung kann so zu einer schöpferisch – aktivierten Wunderkammer drängender ökologischer Umwälzungen werden.
>>Die Konzeption für Göttingen 2025 ist die Weiterentwicklung der Gruppenausstellung COLLAPSE IS NOT A DESTINATION im HAUNT Berlin, einem Zentrum für Kunst und Ökologien in diesem Jahr
Das Jahresprogramm des 2025 TERRA DIASPORA – AKTIVE TERRAINS: TERRA DIASPORA ist das Leitmotiv des Kunstvereins Göttingen 2024–2025. Angesichts fundamentaler Verwerfungen im Zusammenleben von Natur und Mensch, steht TERRA DIASPORA für eine Welt im Aufbruch; für ein Terrain, welches seinen Bewohnenden zunehmend fremd wird und für eine Erde, auf der die Menschen zu Fremdkörpern werden. Es ist eine Erde in der Fremde, eine Terra Diaspora. Nachdem der erste Teil der Programmreihe TERRA DIASPORA – WELTEN WANDELN im Jahr 2024 zeitgenössischen Formen fantastischer, figurativer Kunst nachging; lautet TERRA DIASPORA – AKTIVE TERRAINS das aktuelle Motto des Kunstvereins für das Jahre 2025. Als zweiter Teil der umfassenden Ausstellungsreihe TERRA DIASPORA werden hier die Bruchlinien zwischen ökologischer Co–Existenz und menschlicher Produktion in unserer Gegenwart anhand realer territorialer Fallbeispiele und den schöpferischen Reaktionen von Kunstschaffenden genau auf diese Zustände aufgezeigt und diskutiert. Auch dieses Jahresprogramm wird vom Kurator Stephan Klee mit den beteiligten Kunstschaffenden, sowie nahstehenden Kuratorinnen entwickelt und betreut.