Der Verleger Gerhard Steidl hat den Fotografen Juergen Teller beauftragt, Photographien von der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Auschwitz Birkenau zu erstellen. Steidl plante ein Buchprojekt mit Texten von Christoph Heubner, dem geschäftsführenden Vizepräsidenten des Internationalen Auschwitz-Komitees und Bildern von Juergen Teller, der vor allem als Modephotograph bekannt ist.
Die Bilder aus diesem Buch »Auschwitz Birkenau« sind in der gleichnamigen Ausstellung im Kunsthaus Göttingen zu sehen. Mit dieser Ausstellung wurde das Kunsthaus wiedereröffnet, nachdem es nach einer Insolvenz für einige Zeit geschlossen war.
„Die Ausstellung findet genau im richtigen Moment statt,“ betont Göttinges Oberbürgermeisterin Petra Broistedt zur Eröffnung des Hauses und der Ausstellung. Sie verwies auf den politischen Rechtsruck im Deutschen Bundestag nach den letzten Wahlen. Das Vokabular der AfD erinnere sie an das Vokabular der Nazis – um so wichtiger sei es, nicht zu vergessen. Der ehrenamtliche künstlerische Leiter des Kunsthauses Gerhard Steidl betont den politischen Charakter der Ausstellung.
Steidl hatte bereits den ersten Start des Kunsthauses begleitet – ja auch initiiert. Nun engagiert er sich ehrenamtlich, gemeinsam mit dem Leiter des Göttinger Literaturherbstes Johannes-Peter Herberhold. Beide möchten das neue Kunsthaus gemeinsam mit dem Minijobber-Geschäftsführer Kai Osterhorn auf professionelle Füße stellen. Eine erste zwingend notwendige Maßnahme ist es, dass der Besuch des Hauses nunmehr einen Eintritt kostet.
Das sollte aber niemanden abhalten, diese Ausstellung zu besuchen. Christoph Heubner sagt über die Bilder: „Die Bilder zeigen, was ist. Und was möglich ist.“ Sie seien ein „Stich in dieser Zeit, in der so viel Gleichgültigkeit herrscht.“
Das Betreten eines der drei Ausstellungsräume ist zunächst befremdlich: große, grau gestrichene Wandflächen, in Augenhöhe ein Band mit den Bildern. Eine Beschriftung gibt es nicht, die gibt es als Beiblatt, das am Eingang ausliegt. So wirken die Bilder in besonderer Weise: es sind kaum Menschen zu sehen, es zeigt die Überreste der Gaskammern, der Baracken und Büros, der Gleise und Freiflächen. Die Bilder sind schlicht, manche Motive wiederholen sich. Aber die Bilder sind ehrlich – und beklemmend.
Die Gedenkstätte ist auch ein touristischer Hotspot. Auch das wird auf den mit dem iPhone von Juergen Teller geschossenen Photos gezeigt.
Die fehlenden Menschen auf den Bildern werden in einer Parallelausstellung gezeigt: im „Kabinett“ des Kunsthauses kommen Überlebende des Holocaust zu Wort und bekommen ein Gesicht. Über viele Jahrzehnte sind Michèle Déodat und Christoph Heubner Überlebenden des Holocaust begegnet. Diese kleine Begleitausstellung korrespondiert auf besondere Weise mit der Photodokumentation Juergen Tellers.
Und auch das Buch ist bemerkenswert. Die Bilder von Juergen Teller und die Texte von Christoph Heubner ergeben ein beeindruckendes Gesamtwerk. Bemerkenswert auch die Titelgestaltung: das „B“ von Birkenau steht auf dem Kopf – so wie in den Lettern des Tores in Auschwitz „Arbeit macht frei“. So wurde es auch auf dem Ausstellungplakat gesetzt.
Das Kunsthaus Göttingen hat Dienstag bis Freitag von 14 bis 18 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 11 bis 18 Uhr geöffnet.
Die Ausstellung »Auschwitz Birkenau« und die Ausstellung im Kabinett »Face to Face« sind bis zum 1. Juni 2025 zu sehen.
Ein umfangreiches Begleitprogramm mit dialogischen Rundgängen, szenischen Lesungen, einem Lyrikabend und weiteren Programmen finden Sie hier im Kulturkalender und auf kunsthaus-goettingen.de
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Im Artikel genannt
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Kunsthaus Göttingen
»Das Kunsthaus Göttingen ist ein Haus für Alle – unabhängig von Alter, Bildungsstand oder Geldbeutel. Dafür bieten wir in den ersten Jahren auch den freien Eintritt an, damit jede*r das Haus kennenlernen und genießen kann.«
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