Ein Einblick in französische Orgelkunst

Orgelkonzert »Ein Kaleidoskop französischer Orgelmusik« mit Stefan Kordes

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Am Abend des 17. Mai 2024 verwandelte sich die St. Jacobi Kirche in Göttingen in einen klanglichen Raum französischer Orgelmusik. Unter dem Motto "Ein Kaleidoskop französischer Orgelmusik" präsentierte Kantor Stefan Kordes ein vielfältiges Programm, das die beeindruckende Bandbreite französischer Komponisten der letzten zwei Jahrhunderte umfasste. Die musikalische Darbietung wurde durch eine Live-Übertragung des Spiels auf eine Leinwand im Altarraum visuell bereichert, was den Zuhörer:innen einen intimen Einblick in die meisterhafte Technik des Organisten ermöglichte.

Stefan Kordes, der als Kantor an der St. Jacobi Kirche tätig ist, hat sich über die Jahre als herausragender Interpret der Orgelmusik etabliert. Mit einer umfassenden Ausbildung und zahlreichen Auftritten in renommierten Konzertsälen Europas, bringt Kordes nicht nur technische Brillanz, sondern auch tiefes musikalisches Verständnis in seine Aufführungen ein. Seine Fähigkeit, die komplexen Strukturen und emotionalen Tiefen der Orgelwerke zum Leben zu erwecken, macht jedes seiner Konzerte zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Das Konzert begann mit Louis Viernes »Carillon de Westminster« aus den »Pieces de fantaisie« op. 54. Dieses Stück ist bekannt für seine Anlehnung an die Glocken des Westminster Palace in London. Die Herausforderung besteht darin, die repetitiven Glockenklänge klar und rhythmisch präzise zu spielen, während die melodischen Linien darüber fließen. Kordes meisterte diese Aufgabe mit beeindruckender Leichtigkeit und schuf eine fesselnde Klanglandschaft. Als nächstes stand Léon Boëllmanns »Prière à Notre-Dame« aus der »Suite gothique« op. 25 auf dem Programm. Dieses Stück erfordert eine feine Balance zwischen den lyrischen Melodien und den reichhaltigen Harmonien. Kordes brachte die innige Andacht und die gotische Atmosphäre des Stückes perfekt zum Ausdruck, wobei die sanften, doch kraftvollen Klänge der St. Jacobi Orgel voll zur Geltung kamen.

Die »Prélude et Fugue g-Moll« von Marcel Dupré ist bekannt für ihre technische Komplexität und ihre dynamische Spannweite. Das Präludium fordert den Organisten mit schnellen Passagen und kräftigen Akkorden, während die Fuge eine präzise Stimmführung und rhythmische Stabilität verlangt. Kordes bewältigte diese Herausforderungen mit scheinbarer Mühelosigkeit und ließ die verschiedenen Stimmen klar hervortreten, was die Struktur und Schönheit des Stückes eindrucksvoll zur Geltung brachte. Besonders hier war aus dem Publikum mehrmals großes Erstaunen zu hören, da Kordes nicht nur ohne Noten spielte, sondern er die viermanualige Ott-Schmid-Orgel mit einer Leichtigkeit spielte, die wirklich bemerkenswert war. Das durch die Übertragung beobachten zu können, war eine große Bereicherung des Konerts.

Orgel als perfekter Partner

Mit Olivier Messiaens »Prière après la communion« aus dem »Livre du Saint Sacrement« wurde die spirituelle Dimension der französischen Orgelmusik erfahrbar. Messiaens Werk ist durch seine komplexen Rhythmen und die tiefgehende religiöse Symbolik bekannt. Kordes interpretierte die Prière mit einer solchen Sensibilität und Intensität, dass die Zuhörer die mystische Aura und das kontemplative Wesen des Stückes erleben konnten. Den krönenden Abschluss bildete Maurice Duruflés Suite op. 5, bestehend aus Prélude, Sicilienne und Toccata. Das Präludium beeindruckte durch seine majestätische Eröffnung und die dichten Akkorde, während die Sicilienne mit ihrer anmutigen Melodie und den tänzerischen Rhythmen eine lyrische Ruhe verbreitete. Die Toccata schließlich forderte Kordes' gesamte technische Brillanz heraus, die er mit Bravour unter Beweis stellte. Die schnellen Läufe und kraftvollen Akkorde meisterte er mit einer Präzision und Energie, die das Publikum erneut in Staunen versetzte. Am Ende erschien Kordes unter dem Applaus der Zuschauer:innen hinter der Orgel und bedankte sich.

Die Orgel der St. Jacobi Kirche in Göttingen, ein Instrument von beeindruckender Klangfülle und Vielseitigkeit, war der perfekte Partner für dieses Konzert. Ihr voluminöser Klang und die feinen Nuancen boten Kordes die Möglichkeit, die unterschiedlichen Charaktere der gespielten Werke voll auszuschöpfen und die Kirche mit einer reichen Klangpalette zu füllen. Auch die Kollekte am Ausgang war an diesem Abend dem Erhalt der großen Jacobi-Orgel gewidmet. In den kommenden Jahren steht die Überarbeitung der Manualwerke an, wofür um Unterstützung gebeten wurde.

Insgesamt war das Konzert »Ein Kaleidoskop französischer Orgelmusik« ein brillantes Beispiel für die Kunstfertigkeit von Stefan Kordes und die wunderbare Akustik der St. Jacobi Kirche. Die Mischung aus virtuosen Stücken und tiefsinnigen Kompositionen, die einfühlsame Interpretation sowie die Live-Übertragung machten diesen Abend zu einem unvergesslichen Erlebnis für alle Anwesenden.

Dieser Artikel erschien zuerst im Magazin des Kulturbüro Göttingen. Redaktionell verantwortlich sind das Kulturbüro Göttingen sowie dessen Autor:innen.
Verfasser:in

Ilka Grimm

Journalistin und Autorin beim Kulturbüro Göttingen

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