Hellas und Händel

Jochen Schäfsmeier spricht über Mega-Stars und neue Formate bei den Internationalen Händel-Festspielen

Veröffentlichungsdatum

Jedes Jahr im Mai dreht sich das Göttinger Kulturleben vor allem um einen universellen Sachsen: Georg Friedrich Händel. Vom 18. bis 29. Mai 2023 bieten die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen erneut ein hochkarätiges und äußerst vielfältiges Programm nicht nur für die Fans von Barockmusik. Doch welche künstlerischen, logistischen und gesellschaftlichen Herausforderungen müssen gestemmt werden, wenn ein 12-tägiges Musikfestival an verschiedenen Veranstaltungsorten in Südniedersachsen stattfinden soll? Jochen Schäfsmeier, Geschäftsführender Intendant der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen GmbH, gibt Einblicke in Planung und Organisation vor den Hintergründen einer sich rasant verändernden Gesellschaft.

„Georg Friedrich Händel ist der Michael Jackson des 18. Jahrhunderts!“

„Georg Friedrich Händel ist der Michael Jackson des 18. Jahrhunderts!“, sagt Schäfsmeier im Festspiel-Headquarter im Göttinger Hainholzweg, wo sich Folianten mit Noten neben umfassender Händel-Literatur, CDs und Vinylplatten bis zur Decke stapeln. Mit dem Vergleich der beiden Mega-Stars aus verschiedenen Jahrhunderten verdeutlicht Schäfsmeier, wie sehr der Barockkomponist schon zu seinen Lebzeiten sein Publikum auf internationaler Ebene begeistern konnte – weit vor der Erfindung des Rundfunks, der Video-Clips oder des Musik-Streamings. Auch nach Händels Tod 1759 ist sein Einfluss auf nachfolgende Musiker-Generationen bis heute zu finden.

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Der Leiter der Händel Festspiele Jochen Schafsmeier sitzt an einem Tisch und lächelt in die Kamera
Lizensiert gemäß Alle Rechte vorbehalten von Marco Bühl

Der Leiter der Händel-Festspiele Jochen Schäfsmeier

Im Barock zeigten sich Künstler*innen aller Genres fasziniert von der griechischen Mythologie, und auch mehrere Händel-Werke sind inhaltlich in diesem Szenarium angesiedelt. „Händel und Griechenland – dieses Thema war bisher wenig erforscht. Unser künstlerischer Leiter George Petrou gab den Anstoß, hier anzuknüpfen und ganz neue zu Akzente setzen“, erzählt Schäfsmeier mit Blick auf das aktuelle Programm.

„Hellas!“ ist der Titel der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen 2023. Die Verbindung nach Griechenland sollte sich aber nicht nur auf das Libretto beziehen, so der Plan, also begab man sich auf Spurensuche. Gäbe es vielleicht einen nachweislichen Händelschen Einfluss auf die griechische Musik? Und hatte möglicherweise die Musik aus dem griechischen Kulturkreis auch Händels Kompositionen beeinflusst?

Die Vorfreude auf spektakuläre neue Erkenntnisse wurde etwas gedämpft. „Es gibt zum Beispiel in der griechischen Musikgeschichte so gut wie keine Orgelwerke, da in der orthodoxen Kirche keine Orgeln, sondern Männerchöre die Gottesdienste begleiteten. Somit fiel hier eine Vergleichsgrundlage für einen wechselwirkenden Einfluss weg“, erklärt Schäfsmeier.

Damit öffneten sich aber neue Perspektiven. Verknüpfungen von Händel und Griechenland waren auf ganz anderen Ebenen zu finden als nur in der barock-epochalen: So werden für das „Hellas!“-Programm u.a. zeitgenössische griechische Komponisten eingeladen, die ihre heutigen Werke für historische Instrumente schreiben. Oder es werden barocke Sätze mit griechischen Tänzen kombiniert. Und schließlich wird das FestspielOrchester Göttingen mit Musiker*innen aus den renommiertesten Barockorchestern der Welt seit 2022 von einem gebürtigen Griechen geleitet: George Petrou.

Mit dem „Hellas!“-Programm wird ein außergewöhnlicher Bogen vom Barock zur Moderne geschlagen, der Kulturkreise, Generationen, Stilrichtungen, Musiker*innen und Publikum auf vielschichtige Weise miteinander verbinden soll. Die Themen der Zeit – demografischer Wandel, Inklusion, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Globalisierung und Regionalisierung – geben Antrieb und fordern Kreativität für neue Konzepte der klassischen Musikpräsentation und -interpretation.

„Die Pandemie hat das Brennglas auf die Herausforderungen gesetzt, die es vorher schon gab. Wir probieren einiges aus, um neben den klassischen Konzertbesuchern ein neues, jüngeres Publikum anzusprechen“, sagt Schäfsmeier. Schon seit einigen Jahren werden Spielstätten und Veranstalter in der südniedersächsischen Region als Kooperationspartner mit einbezogen. So können Konzerte u.a. in den Fachwerk-5Eck-Städten Duderstadt, Einbeck, Hann. Münden, Northeim und Osterode angeboten werden. Der „Rollende Georg“, ein zur Bühne umfunktionierter Lkw, besucht Marktplätze, Schulen, Kitas und Seniorenheime. Niedrigschwellige Angebote wie der kostenfreie Lokhallentag bringen Menschen jeden Alters, jeder Nation und aus allen sozialen Schichten zusammen. Kirchen, Gaststätten oder die Aula der Uni Göttingen sollen als Veranstaltungsorte Hemmschwellen abbauen bei denjenigen, die bisher noch keinen Zugang zur klassischen Musik gefunden haben.

„Wir wollen hier auch nicht Salzburg oder Bayreuth imitieren“

„Wir wollen neugierig machen. Was wir anbieten, ist spannend und kann sehr viel Spaß machen. Wer sich einmal darauf einlässt, kommt auch wieder, da bin ich mir sicher!“, sagt der Intendant und sieht große Chancen für eine weitere erfolgreiche Zukunft der Internationalen Händel-Festspiele Göttingen. „Es gibt in Südniedersachsen keine andere Oper. Wir wollen hier auch nicht Salzburg oder Bayreuth imitieren, sondern etwas anbieten, das man sonst nirgends erleben kann“, erklärt Schäfsmeier. Es sei zwar eine Herausforderung, dass die Händel-Festspiele keine feste Spielstätte in Göttingen hätten. Die gesamte Infrastruktur für eine Oper müsse jedes Jahr erneut aufgebaut werden, und auch, wenn das Deutsche Theater hier große Unterstützung leiste, erzeuge dieser Aufwand entsprechend hohe Kosten. „Aber einmal im Jahr ist es das wert, sowohl für die Menschen in Göttingen und Südniedersachsen als auch für ein internationales Publikum, das die gesamte Region weit über die Grenzen hinaus bekannter macht“, wirbt Schäfsmeier für das 12-tägige Event, dessen Ursprung in Göttingen auf eine Wiederaufführung der „Rodelinde“ im Jahr 1920 zurückgeht.

Die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen unter dem Motto „Hellas!“ starten am 18. Mai 2023 und bringen bis zum 29. Mai rund 60 Veranstaltungen auf die Bühnen in Göttingen und Südniedersachsen. Der „Rollende Georg“ ist auch schon im Vorfeld unterwegs und besucht die Menschen an besonderen Orten.

Alle Infos zu den Händel-Festspielen sind auf kulturis und unter haendel-festspiele.de zu finden.

Autor:in

Claudia Nachtwey

Gründerin von Clanys Eichsfeld Blog und Autorin des kulturis-Magazins

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Im Artikel genannt

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Header Händelfestspiele 2023

Internationale Händel-Festspiele Göttingen 2023

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