Live-Konzerte, Festivals und Networking – dafür steht Kreuzberg on KulTour e.V. in der Region Südniedersachsen. Der kleine Kulturverein ist die lebendige Verknüpfung von MusikerInnen, Locations und neuen Ideen. Dafür konnten schon einige Preise eingeheimst werden: 2020 der Niedersachsenpreis für Bürgerengagement und 2024 der Deutsche Rock & Pop Preis zum Beispiel. Das Team um den Vorsitzenden Klaus Wißmann und die zweite Vorsitzende Dana Rotter beweist, dass es sich lohnt, auf die Herausforderungen für Kulturschaffende in der heutigen Zeit mit viel Kreativität zu reagieren.
Der Autor Max Frisch sagte einst: „Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“ Krisen kennt der Kulturverein. Aus einer solchen ist er sogar geboren worden. Nachdem nämlich der legendäre Live-Musikclub „Café Kreuzberg“ in Göttingen im Mai 2009 für immer seine Pforten schloss, dachte der Betreiber Klaus Wißmann nicht etwa ans „Handtuchwerfen“, sondern wollte eine neue Anlaufstelle für Musikerinnen und Musiker in der Region schaffen, um Konzerte zu veranstalten, Proberäume zu finden, Kontakte zu knüpfen, Nachwuchs zu fördern und vieles mehr.
Im August 2009 wurde der Verein Kreuzberg on KulTour e.V. gegründet. Klaus wurde erster Vorsitzender, Gründungsmitglied Dana übernahm einige Jahre später den zweiten Vorsitz. Inzwischen organisiert Kreuzberg on KulTour in rund 40 Lokalitäten im Landkreis Göttingen über 100 Konzerte und vier bis sechs Festivals pro Jahr, darunter das Duderstädter Open-Air-Festival und das Rosdorfer Musikfestival, monatlich die Offene Bühne (die inzwischen auch schon auf Tour gegangen ist), die Offene Folksession, den Old Time Jam und den Bluegrass Jam mit jeweils vielen Musikern.

Die Vorsitzenden des Kreuzberg on KulTour e.V. Dana Rotter und Klaus Wißmann
Die Kontakte bestehen teilweise noch aus den Café-Kreuzberg-Zeiten, doch auch neue MusikerInnen kommen stetig dazu, sind entweder selbst oder durch Empfehlungen auf den Verein aufmerksam geworden. Während der Corona-Pandemie sind weitere Kontakte durch die Online-Veranstaltung „Offene Bühne“ entstanden (nachzuhören bei www.youtube.com/kreuzbergonkultour).
„Wir verstehen uns als mobile Spielstätte. Obwohl wir keine eigene Lokalität haben, empfinden wir uns nicht als heimatlos. Ganz im Gegenteil. Wir haben daraus ein ganz eigenes Konzept entwickelt und bringen die Live-Musik zu den Menschen in die Region. Dadurch können wir passende Lokalitäten für die Musiker auswählen und neue Publikumskreise erschließen“, erläutert Dana als zweite Vorsitzende den positiven Effekt der heutigen Situation.
„Im Rock/Pop- und Singer/Songwriter-Bereich kennen wir wohl die meisten Musiker aus Südniedersachsen und haben über die letzten 15 Jahre einen Großteil von ihnen auch schon veranstaltet“, erzählt Klaus die Erfolgsgeschichte des Vereins, die allerdings vom Gastro-Schwund in der Region überschattet wird. „Seit der Jahrtausendwende sind allein in Göttingen 22 Spielstätten gestorben. Das Fassungsvermögen aller Spielstätten zusammen ging dabei von 4.700 auf 1.700 Besucher, also auf 1/3 zurück. Das führte auch zu einem dramatischen Rückgang an Konzerten“, hat der Vereinsvorsitzende recherchiert. Als Gründe für den Schwund nennt er vor allem die steigenden Kosten, darunter Lohn- und Energiekosten, höhere Abgaben an GEMA und Künstlersozialkasse, ein verändertes Ausgehverhalten und größere Zurückhaltung beim Verzehr – ebenfalls wegen der steigenden Kosten. Auch beim Kauf von Konzertkarten sei das Publikum zurückhaltender.

Live-Konzert mit dem Songwriter und Vereinsmitglied Andreas Leinemann und dem Folkmusiker Peter Kerlin (v.l.)
Um kein Minus einzufahren, setzten Lokale eher auf Covermusik zum Mitsingen und Mitfeiern. „Eigene Songs haben es häufig schwer, ein Publikum zu finden“, meint Klaus. Zudem seien viele Spielstätten aufgrund von Platz und Lärmschutzbestimmungen eher auf akustische Musik ausgerichtet. „Darunter leiden vor allem regionale Bands, für die es immer schwieriger wird, Auftritte spielen zu können“, sagt der Vorsitzende und erläutert: „Mithilfe unserer Konzerte und Festivals versuchen wir, diesen Entwicklungen entgegenzuwirken und vor allem regionalen (Nachwuchs-)Musikern mit eigenen Songs eine Bühne zu bieten. Wir freuen uns immer wieder, unsere Konzert- und Festivalbesucher mit der hohen Qualität unserer südniedersächsischen Musiker überraschen und begeistern zu können.“
Wer eine Spielstätte betreiben möchte, sollte Engagement vor Ort mitbringen. Kreuzberg on KulTour kommt zu ersten Gesprächen vorbei und hilft dann auch aus der Ferne – wenn gewünscht – bei der Organisation, beim Booking der KünstlerInnen und Bewerben der Veranstaltung. „Aber im Endeffekt kann es nur funktionieren, wenn die Lokalitätenbetreiber zuverlässig und engagiert mitmachen“, betont Klaus.

Vereinsmitglieder und Vorsitzende freuen sich über die Auszeichnung mit dem 42. Deutschen Rock & Pop Preis 2024
Für die Ehrenamtlichen im Verein bedeutet dieses Engagement für ein vielfältiges Konzertangebot in der Region eine Menge Arbeit: Organisation, Antragstellungen, Auf- und Abbau, Nachbereitung, Abrechnungen und mehr. Klaus erklärt: „Da wir alles neben unseren eigentlichen Berufen auf die Beine stellen, ist das ganz schön anstrengend und zeitintensiv. So kann die Motivation manchmal etwas leiden. Doch dann kommt das Konzert/Festival und man spürt und sieht den Spaß der Musiker auf der Bühne und der Menschen im Publikum, genießt mit dem Kreuzberg-Team – allein könnten wir das alles gar nicht schaffen – das Konzert und schöpft daraus wieder neue Kraft und Motivation. Bei der Vereinsgründung haben wir uns vorgenommen, dass wir das machen wollen, was anderen und uns Spaß macht. Mit der Zeit sind wir als Verein ganz schön gewachsen, das hätten wir uns vor 15 Jahren nicht vorstellen können, aber unser Vorsatz ist dabei nie verloren gegangen. Es gab Zeiten, die waren besonders anstrengend, steinig und herausfordernd, aber auch heute können wir noch sagen: Wir haben Spaß bei unserem Ehrenamt, und das liegt an den Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten – dazu gehören Vereinsmitglieder, Musiker, Lokalitätenbetreiber, Publikum und viele mehr.“

Organisatoren für das Duderstadt-Festival - Klaus Wißmann, Andreas Leinemann und Dana Rotter von Kreuzberg on KulTour und Bürgermeister Thorsten Feike (v.l.)
2025 stehen neben vielen kleineren Konzerten in den Gaststätten in Südniedersachsen auch wieder große Festivals im Programm von Kreuzberg on KulTour. Am Wochenende 14./15. Juni wird das bereits 4. DUDERSTADT OPEN AIR im LNS-Park gefeiert. An zwei Tagen gibt es Live-Musik auf zwei Bühnen mit regionalen Bands und Singer/Songwritern. Der Eintritt ist frei. Das Programm wird zeitnah bekanntgegeben.
Und auch den 12. Dezember sollten sich Musikfans schon mal vormerken, denn da heißt es im Göttinger Exil: Kai & Funky von TON STEINE SCHERBEN feat. Birte Volta.
Das komplette Jahresprogramm ist auf der Webseite kreuzbergonkultour.jimdofree.com zu finden.
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