Viele jüdische Objekte wurden von den Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1945 aus staatlichen Sammlungen entfernt. Sie wurden zerstört, geraubt oder ihren Eigentümern zurückgegeben – vielfach ohne Kontextinformationen und die erforderliche konservatorische Sorgfalt. Durch die Vertreibung und Ermordung der jüdischen Leihgeber fanden diese Objekte über Umwege oft neue Besitzer:innen – wie im Fall dieses besonderen Objekts. Auf den verschlungenen Pfaden in die Museen ging das Wissen um ihre kulturelle Bedeutung und ihre Herkunft häufig verloren. Daher kommt es manchmal zu Missverständnissen, wenn diese wieder in einem Museum eine neue Heimat finden, wie die von Henri Hoor beschriebene Objektgeschichte zeigt.
Was ist das?
Ein annähernd 200 Jahre alter Chanukka-Leuchter aus Ton – das genaue Alter lässt sich nicht mehr exakt bestimmen. Der Leuchter ist als Bank-Typ gefertigt und verfügt über eine vertikale Rückwand mit acht Brennschälchen für das Chanukka-Fest sowie eine rechteckige Wanne, die das tropfende Öl auffängt. Aufgrund seiner ungewohnten Form und seines Materials wurde das Objekt zunächst, als es ins Museum kam, im Eingangsbuch als „Löffelhalter“ angesprochen.
Warum ist der Chanukka-Leuchter für dich persönlich ein besonderes Objekt?
Chanukka-Lampen werden fast ausschließlich aus Metall gefertigt, nur wenige Exemplare aus dem deutschen Raum sind aus Ton bekannt. Das Jewish Museum New York listet aus diesem Bereich weltweit nur neun publizierte Lampen auf, darunter eine in der Sammlung des New Yorker Museums, eine im Israel Museum in Jerusalem – und unsere hier in Göttingen. Das macht sie nicht nur zu einem außergewöhnlichen Stück, sondern auch zu einem äußerst seltenen und wertvollen Zeugnis jüdischer Kulturgeschichte.
Was erzählt der Chanukka-Leuchter über Südniedersachsen?
Auch wenn wir den Herstellungsort nicht genau wissen – es sind schlicht zu wenige Vergleichsobjekte bekannt – weist die glasierte Keramik in ihrer volkstümlichen Gestaltung und Verzierung mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine lokale Herstellung im Raum Hessen/Südniedersachsen hin. Seit der frühen Neuzeit bis in das 19. Jahrhundert existierten entlang der Oberweser sowie an Werra und Fulda zahlreiche Töpferorte. Wahrscheinlich entstand der Tonleuchter in einer dieser ländlichen Werkstätten, da Töpfereien aus Gründen des Brandschutzes und wegen der Rauchentwicklung meist außerhalb größerer Städte lagen. Möglicherweise gehörte der Leuchter einst zu einem Haushalt einer jüdischen Landgemeinde – von denen es im 19. Jahrhundert in Südniedersachen noch viele gab.
Wie kam er ins Museum?
Der Leuchter hat eine spannende Sammlungsgeschichte: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts befand dieser sich im Hessischen Landesmuseum in Kassel, wo er während der NS-Zeit ausgesondert wurde und in den Kunsthandel gelangte. Nach dem Krieg, im Jahr 1947, erwarb das Museum das ungewöhnliche Objekt im Göttinger Kunsthandel, ohne seine genaue Bedeutung zu wissen.
Wo kann man ihn sehen?
Der Chanukka-Leuchter wird im Rahmen einer Sonderausstellung im Mai als „Objekt des Monats“ im 2. Obergeschoss des Museums präsentiert. Besucher*innen haben die Gelegenheit, sich das Stück aus nächster Nähe anzusehen und mehr über seine spannende Geschichte und kulturelle Bedeutung zu erfahren.
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