Alte Synagoge in Einbeck

Lebensfreude der jüdischen Kultur und Ausdruck der Toleranz und der Weltoffenheit der Menschen

Veröffentlichungsdatum

Beim Aufrufen der Website der Alten Synagoge Einbeck fällt neben dem Foto des schlichten Hauses sofort das Motto dieser Einrichtung ein: „Ein Ort der Begegnung und des offenen Dialogs“. Und genau das war der Vorschlag des Fördervereins Alte Synagoge in Einbeck e.V. bei der mühsamen und langen Aufgabe, dieses alte Gebäude wieder zum Leben zu erwecken.

Als 2004 die Gründung dieses Vereins (heute rund 70 Mitglieder) erfolgte, begann damit auch das erste Kapitel, um seine Ziele zu erreichen: die Sanierung des Gebäudes. Aber bevor wir darauf eingehen, lohnt es sich, kurz die Geschichte der Alten Synagoge Einbeck zu erzählen.

Elias Meyer (1718-1798), ein jüdischer Kaufmann, der während des Siebenjährigen Krieges (1756- 1763) durch die Versorgung des Heers finanziell zu Wohlstand gekommen war, gründete kurz darauf die Jüdische Gemeinde der Stadt. Zunächst traf man sich in einem privaten Betsaal (am Benser Tor), und sogar eine Mikwe wurde mit offizieller Genehmigung der Stadtverwaltung gebaut. Es ist wichtig zu erwähnen, dass all dies nur möglich war, weil Meyer und seine Familie den Status von Schutzjuden hatten.

Am Ende seines Lebens widmete sich Meyer als Vorsteher der jüdischen Gemeinde noch der Pflege des seit dem Mittelalter bestehenden jüdischen Friedhofs im Judenkirchhofsfeld und schließlich in seinem Todesjahr der Kauf des Hauses in der Baustraße. Als die Bauarbeiten und der Neubau des Grundstücks abgeschlossen waren, gefiel den Juden die Einrichtung mit allen Attributen, die zu einer jüdischen Gemeinde gehören: Synagoge, Bildungs- und Versammlungsort.

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1896, nach fast einem Jahrhundert aktivem jüdischen Leben in der Synagoge der Baustraße, errichtete die inzwischen rund 150-köpfige Gemeinde die Neue Einbecker Synagoge (Bismarckstraße 17). Die alte wurde an Privatpersonen verkauft und später auch renoviert. In der Pogromnacht des 9. November 1938 blieb sie verschont, da sie keine Synagoge mehr war, während die neue vollständig entweiht und zerstört wurde – einschließlich der Thora, die wertvolle mit Feder beschriebene Pergamente aus dem 17. Jahrhundert enthielt.

1992 erhielt das Gebäude den Status eines Denkmalschutzes und 2004, nach mehr als zwei Jahrhunderten seiner Einweihung als Synagoge, sollte dieses Haus wieder restauriert werden. Die Renovierung durchlief mehrere Phasen: 2007 die Entkernung des Gebäudes; 2011 fand das Richtfest statt; 2017 wurde die Fassade gestrichen (in monochromatischer Sandfarbe, wie es vermutlich die ursprüngliche war). Erst 2022 wurde die Reform vollständig abgeschlossen.

Heute erkennt man beim Betreten des Hauses sofort die Empore, die auf die Frauenempore verweist, wo früher die Frauen saßen und beteten. Außerdem sticht noch der Ort hervor, an dem Aaron Hakodesh früher war, denn dort befindet sich heute die Bühne für Künstler und Redner. Im Raum befindet sich eine moderne Menora, die ihm die maximale Symbologie des jüdischen kulturellen und religiösen Universums verleiht. Ein großer Kronleuchter (entworfen vom Designer Peter Schmitz) trägt auch – absichtlich oder nicht – verschiedene jüdische Symbole: Drei konzentrische Ringe aus Stahlbändern, die die drei Patriarchen des jüdischen Volkes (Abraham, Isaac und Jacob) darstellen können. Der innere Ring trägt zwölf Leuchter (genau einen für jeden der zwölf Stämme Israels). In den äußeren Ring sind sieben – die wichtigste jüdische religiöse und mystische Zahl, die in mehreren Kontexten präsent ist – Begriffe hineingeschnitten worden für die Werte, für die die Alte Synagoge in Einbeck heute steht: Offenheit, L’Chaim, Vertrauen, Hoffnung, Versöhnung, Shalom, Begegnung. (L’Chaim bedeutet auf Hebräisch: „Auf das Leben“; Shalom heisst „Frieden“ und das Wort Hoffnung gibt der israelischen Nationalhymne den Titel – auf Hebräisch HaTikva).

Es sei darauf hingewiesen, dass praktisch der gesamte in die Renovierung investierte Betrag – etwa 600.000 Euro – aus öffentlichen Fördermitteln stammt, darunter: Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Landkreis Northeim, VR-Stiftung, Volksbank in Einbeck, Stadt Einbeck, Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, AKB-Stiftung, Niedersächsische Sparkassenstiftung und Sparkasse Einbeck.

Neben dem oben genannten Satz, der den Kern des aktuellen Vorschlags der Alten Synagoge Einbeck zusammenfasst, findet sich auf der Website der Einrichtung eine ausführlichere Formulierung: „einen lebendigen Ort der Begegnung, der Menschen verschiedener Kulturen, Religionen und Generationen zusammenführt und einen offenen Dialog“ zu ermöglichen; „respektvoll an die jüdische Vergangenheit“ zu erinnern, sich „der geschichtlichen Verantwortung“ zu stellen; „einen einmaligen und für alle Menschen offenen Ort der kulturellen und geschichtlichen Bildung nachfolgender Generationen“ zu schaffen.

Und ausgehend von diesen Werten freut sich der Journalist Frank Bertram über die neue Phase der Arbeit des Fördervereins Alte Synagoge in Einbeck e.V., dessen 1. Vorsitzender er ist. Im Gespräch mit ihm merkt man schnell die emotionale Verbundenheit, die er (und sicherlich so viele andere Menschen) mit dem Projekt hat. Endlich, nach fast zwei Jahrzehnten der Reform, hat die Arbeit des Veranstaltungsmanagements tatsächlich begonnen. Einige Events fanden bereits seit 2019 statt, wie etwa Konzerte im Ramen des ‚Festivals StadtpARTie Einbeck‘, doch verspricht das Haus ab 2023 nicht nur Bühne für verschiedenste künstlerische und kulturelle Attraktionen zu sein, sondern auch ein Ort für vielfältige Begegnungen deren Themen zur Philosophie der Institution passen, wie Bertram erklärt.

Dieser Artikel kann nicht abgeschlossen werden, ohne auf eine weitere – und eine der wichtigsten – Aufgaben des Fördervereins Alte Synagoge in Einbeck e.V. einzugehen: das Verlegen von Stolpersteinen. Seit 2016 ist der Initiativkreis Stolpersteine, eine satzungsgemäße Arbeitsgruppe des Fördervereins, für die Verlegung von (bisher) 44 Stolpersteinen in der Stadt verantwortlich. Finanziert wird diese Initiative durch private Spenden.

Damit wird deutlich, dass das Projekt rund um die Alte Synagoge Einbeck nicht nur in der Sanierung eines alten Hauses oder der Gründung eines weiteren Kunst- und Kulturraumes besteht. Viel mehr als das: Es hat die gesellschaftliche und historische Funktion, die Bürger Einbecks und der Region an ihre Vergangenheit – in guten wie in schlechten Zeiten – zu erinnern und im Namen der Toleranz und Verständigung aller Völker Brücken zur Gegenwart zu bauen.

Und das bestätigen die Worte der Verantwortlichen dieses „alten neuen Hauses“, dem wir eine schöne und bereichernde Zukunft wünschen: „Die Alte Synagoge soll als ein Ort etabliert werden, der die Lebensfreude der jüdischen Kultur widerspiegelt und der Ausdruck der Toleranz und der Weltoffenheit der Menschen in Einbeck ist.“

Die nächste Möglichkeit die Alte Synagoge als Veranstaltungsort kennen zu lernen bietet sich am 12. Mai beim Konzert des Boogielicious Duos.

Autor:in

Jean Goldenbaum

Musiker, Komponist, Musikwissenschaftler und Autor des kulturis-Magazins

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Im Artikel genannt

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